Dürre im Mund
Wir machen uns selten Gedanken über ihn, unseren Speichel. Manch einer könnte meinen, er sei in unserem Mund nicht sonderlich wichtig. Weit gefehlt! Welch große Rolle er spielt, merkt man meist erst, wenn es trocken wird im Mund. „Mundtrockenheit“ oder „Xerostomie“ ist in vieler Munde, aber oft nicht in unserem Bewusstsein. Zeit, das zu ändern.
Ein Disclaimer vorneweg: Unser Speichelfluss wird auch von psychischen Faktoren gesteuert. Es kann also gut sein, dass Sie auf einmal merken, dass es feucht im Mund wird, während Sie diesen Blog-Beitrag lesen. Ich versichere Ihnen, dass es mir beim Schreiben nicht besser geht.
Wundermittel Speichel
Sie merken also vielleicht gerade in diesem Augenblick am eigenen Leib, was Speichel tut. Er befeuchtet. Das ist in erster Linie wichtig für unsere Schleimhäute, weil sie eben Schleimhäute sind. Trockenheit bekommt ihnen nicht gut. Wie ein trockener Schwamm werden sie rissig und porös und damit anfälliger für verschiedenste Infektionen. Zu Problemen führt das zum Beispiel bei Prothesenträgern, die ihre „Dritten“ auch nachts nicht ausziehen. Unter dem ganzen Kunststoff wird die Schleimhaut vom Speichel abgeschirmt und kann sich nicht mehr vollsaugen. Manchmal, nicht immer, kann das Entzündungen zur Folge haben.
Nicht nur die Schleimhäute, auch die Zähne sind auf einen ausreichenden Speichelfluss angewiesen. In ihm finden wir unter anderem Proteine, die antibakteriell wirken können. Sie schützen nicht nur vor Karies und Parodontitis, sondern spielen auch eine Rolle für unser gesamtes Immunsystem. Darum reiben manche Menschen Speichel auf ihre Wunden, wenn sie draußen unterwegs sind und kein Erste-Hilfe-Set dabeihaben. Speichel reinigt, schützt vor Infektionen und hilft bei der Wundheilung.
Auch Mineralstoffe und sogar Vitamine sind in unserem Speichel enthalten. Sie erinnern sich, dass Karies zuerst nicht mehr ist als eine Demineralisation des Zahnes. Es werden Mineralstoffe aus der Zahnoberfläche gelöst. Unser Speichel ist derjenige, der neue Mineralstoffe mitbringt und den Zahn wieder remineralisieren kann. Außerdem puffert er Säuren ab, eine weitere Schutzfunktion für unsere Zähne. Stellen Sie sich bitte vor, Sie würden herzhaft in eine Zitrone beißen. Merken Sie, wie es Ihnen die großen Ohrspeicheldrüsen in ihren Wangen regelrecht zusammenpetzt? Voilà, es wird auf einmal feucht im Mund.
Unser Körper ist gewitzt. Wieviel Speichel fließt, passt er immer an die aktuelle Lage an. Je nach Tageszeit oder Stimulation (Stichwort Zitrone) variiert der Speichelfluss. Abends und nachts haben viele Menschen einen eher trockenen Mund. Darum ist abends das gründliche Zähneputzen besonders wichtig. Ein tüchtiger Speichelfluss kann Essensreste tagsüber auch mal zwischen den Zähnen wegspülen. Abends passiert das eher weniger.
Wenn die Quellen versiegen
Die Mundtrockenheit trägt den nicht ganz eingänglichen Namen „Xerostomie“. Sie haben jetzt erfahren, dass Speichel für unsere Mundgesundheit von großer Bedeutung ist. Demnach können Sie sich denken, wie weitreichend die Folgen sein können, wenn Speichel fehlt. Bei einer Mundtrockenheit werden Infektionen begünstigt – Karies, Parodontitis, sogar Pilzerkrankungen. Auch die mangelnde Spülfunktion trägt ihren Teil dazu bei. Wenn Säuren schlechter abgepuffert werden, kann es außerdem zu Säureschäden an den Zähnen kommen, den sogenannten Erosionen.
Menschen mit weniger Speichel klagen über Geschmacksstörungen und Schwierigkeiten beim Kauen, Schlucken und Sprechen. Es ist nicht übertrieben, zu sagen, dass Mundtrockenheit die Lebensqualität deutlich einschränken kann.
Risikofaktoren der Xerostomie
Die Hintergründe einer Mundtrockenheit sind enorm vielfältig. Schäden an Speicheldrüsen können eine Rolle spielen, sind aber eher die Ausnahme.
Häufig leiden Menschen, die viele Medikamente einnehmen müssen, an Mundtrockenheit. Besonders bekannt ist diese Nebenwirkung bei Beta-Blockern, Diuretika, Antiarrhythmika, Antihistaminika, Antidepressiva und einigen mehr. Auch Raucher können einen trockenen Mund haben.
Aber auch Grunderkrankungen spielen eine Rolle. Diabetiker, psychisch Erkrankte oder Patienten, die einmal eine Bestrahlung bekommen haben, haben mit Mundtrockenheit zu kämpfen. Auch Stress kann dazu führen, dass die Speicheldrüsen den Dienst quittieren.
Zwei weitere Faktoren spielen eine entscheidende Rolle bei der Xerostomie. Auf der einen Seite ist das der natürliche Alterungsprozess, auf der anderen die stets unterschätzte „Taskforce“ im Körper: Hormone. Darum leiden besonders ältere Menschen und Frauen in ihren Wechseljahren an Xerostomie.
Was tun…?
Das Problem mit der Mundtrockenheit ist, dass es oft nicht viel gibt, was man tun kann.
Manchmal ist es möglich, mit dem Hausarzt Rücksprache zu halten, ob gewisse Medikamente umgestellt werden können. Ansonsten hört man oft „trinken, trinken, trinken!“. Und ja, das stimmt natürlich. Wachen wir nicht alle morgens mit einem staubtrockenen Mund auf, wenn wir abends „gelumpt“ haben, am besten noch mit gesalzenen Nüssen, Chips und Alkohol? Unseren Speicheldrüsen fehlt dann sein wichtigster Baustoff, um anständig produzieren zu können, nämlich Wasser. Wenn wir viel trinken, spülen wir außerdem auch Essensreste weg und können Säuren etwas neutralisieren.
Menschen, die an einer ausgeprägten Xerostomie leiden, hilft das Trinken aber immer nur sehr kurz. Speichel ist schleimig und benetzt die Schleimhäute, etwas, das Wasser nicht leisten kann. Manche helfen sich mit Ölziehen oder investieren viel Geld für Speichelersatzprodukte. Diese Produkte sind oftmals sehr teuer und helfen leider vielen Menschen nicht weiter. Erfahrungsgemäß ist etwa die Hälfte der Patienten total begeistert, wenn man ein Speichelersatzprodukt zum Ausprobieren mitgibt. Die andere Hälfte fragt beim nächsten Termin, warum wir ihnen den Blödsinn überhaupt mitgegeben haben, weil es ihnen überhaupt nicht weitergeholfen hat.
Fazit: Eine Xerostomie zu diagnostizieren ist eine Sache. Sie zu therapieren, das kann der Knackpunkt sein. Oft ist das Lindern der Symptome alles, was man tun kann, mit einer Flasche Wasser oder Speichelersatzprodukten. Das Wichtigste ist, Achtung walten zu lassen, damit die Schleimhäute und Zähne nicht nachhaltig unter der Trockenheit leiden. Regelmäßige Vorsorgen beim Zahnarzt und fluoridhaltige Zahnpasten sind das A und O.
Wie so oft sind wir mit dem Aufruf zur regelmäßigen Vorsorge am Ende angelangt. Ich danke Ihnen fürs Lesen und hoffe, die Lektüre war nicht nur lehrreich, sondern auch unterhaltsam.
Machen Sie’s gut und bleiben Sie gesund,
Dr. Marianne Skroch
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